Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, wird einer wesentliche  Neuerung, die das Arbeitszeitgesetz (AZG) per 1.9.2018 erfahren hat, in  den Medien praktisch keine Beachtung geschenkt: 
Die Gruppe der Arbeitnehmer, für die es NICHT gilt, wurde erweitert. Früher waren neben  diversen Berufsgruppen wie z. B. Bäcker, Hausbesorger und Landarbeiter  auch „leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben  selbstverantwortlich übertragen sind“ ausgenommen. Diese Formulierung  wurde geändert und lautet nun: „leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbständige  Entscheidungsbefugnis übertragen ist und deren gesamte Arbeitszeit auf  Grund der besonderen Merkmale der Tätigkeit a) nicht gemessen oder im  Voraus festgelegt wird, oder b) von diesen Arbeitnehmerinnen bzw.  Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann.
Mit der alten Formulierung waren nach der Judikatur im Wesentlichen nur  die erste und zweite Führungsebene umfasst. Die neue Formulierung geht  hier einen Schritt weiter und möchte praktisch alle Mitarbeiter  abdecken, denen selbständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist. Eines  der beiden weiteren Kriterien muss ebenfalls zwingend erfüllt sein.  Hier stellt sich naturgemäß die Frage, wie wird in Zukunft die Judikatur  dazu erfolgen. Beim Kriterium „Arbeitszeit aufgrund der besonderen  Merkmale der Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt werden  kann“ wären bei einfacher Auslegung beispielsweise praktisch alle  Mitarbeiter umfasst, die im Vertriebsaußendienst tätig sind. Auch ist  bei einem Großteil dieser Arbeitnehmer die selbständige  Entscheidungsbefugnis gegeben. Das Kriterium „hinsichtlich Lage und  Dauer selbst festgelegt werden kann“ trifft auf alle Mitarbeiter zu, die  eine Gleitzeitvereinbarung haben. 
Das größte Fragezeichen ist  daher die Auslegung der Maßgeblichkeit: Wann ist eine selbständige  Entscheidungsbefugnis als maßgeblich einzustufen. 
Im neuen  Kollektivvertrag für Handelsangestellte findet sich beispielsweise als  Einstufungskriterium für die Beschäftigungsgruppe F die Formulierung  „… treffen umfangreiche operative Entscheidungen, die andere  betriebliche Bereiche beeinflussen…“ oder „tragen Verantwortung für  die Einhaltung von Budgetvorgaben und setzen eigenverantwortlich  Maßnahmen“. Das klingt nach maßgeblicher Entscheidungsbefugnis. Als  Referenzfunktionen für diese Beschäftigungsgruppe werden im  Kollektivvertrag beispielhaft aufgezählt: Disponent, Controlling,  Personalverrechnung, Bilanzbuchhaltung, Einkauf, Markt-/Filialleitung,  Social-Media-Betreuung, Programmierung, Netzwerktechnik.
Dass  bereits in der Vergangenheit in vielen Bereichen teilweise mehr als 10  Stunden gearbeitet wurde, ist unbestritten. Allerdings räumen auch die  meisten Betroffenen ein, dass – vor allem bei Tätigkeiten mit hohem  Konzentrationsbedarf – die Fehleranfälligkeit mit der Dauer der  Arbeitszeit überdurchschnittlich ansteigt und somit am Folgetag wieder  Zeit für das Ausmerzen dieser Fehler aufgewendet werden muss. Aus  unternehmerischer Sicht ist in solchen Fällen eine Ausdehnung der  Arbeitszeit zu hinterfragen.
Rein aus der Perspektive des  Arbeitsrechts betrachtet, ist das Arbeitszeitgesetz nur ein kleiner  Teilbereich der Rechtsnormen, die der Unternehmer zu berücksichtigen  hat. Im Arbeitnehmerschutzgesetz wird der Arbeitgeber verpflichtet, „für  Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle  Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen“ und „Unter Gesundheit im  Sinne dieses Bundesgesetzes ist physische und psychische Gesundheit zu  verstehen.“ 
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften bewegt man sich als Arbeitgeber, der die Arbeiten zu Lasten der Gesundheit der Mitarbeiter einteilt, also weiterhin außerhalb des gesetzlichen Rahmens.


 
